Adelbert von Chamisso Die drei Sonnen (1831)
Es wallte so silbernen Scheines
Nicht immer mein lockiges Haar,
Es hat ja Zeiten gegeben,
Wo selber ich jung auch war.
5 Und blick ich dich an, o Mädchen,
So rosig und heiter und jung,
Da taucht aus vergangenen Zeiten
Herauf die Erinnerung.
Die Mutter von deiner Mutter --
10 Noch sah ich die Schönere nicht,
Ich staunte sie an, wie die Sonne,
Geblendet von ihrem Licht.
Und einst durchbebte mit Wonne
Der Druck mich von ihrer Hand,
15 Sie neigte darauf sich dem andern,
Da zog ich ins fremde Land.
Spät kehrt ich zurück in die Heimat,
Ein Müder nach irrem Lauf,
Es stieg am heimischen Himmel
20 Die andere Sonne schon auf.
Ja deine Mutter, o Mädchen, --
Noch sah ich die Schönere nicht,
Ich staunte sie an, wie die Sonne,
Geblendet von ihrem Licht.
25 Sie reichte mir einst die Stirne
Zum Kusse, da zittert ich sehr,
Sie neigte darauf sich dem andern,
Da zog ich über das Meer.
Ich habe verträumt und vertrauert
30 Mein Leben, ich bin ein Greis,
Heim kehr ich, die dritte Sonne
Erleuchtet den Himmelskreis.
Du bist es, o Wonnereiche;
Noch sah ich die Schönere nicht,
35 Ich schaue dich an, wie die Sonne,
Geblendet von deinem Licht.
Du reichst mir zum Kusse die Lippen,
Mitleidig mir wohl zu tun,
Und neigst dich dem andern, ich gehe
40 Bald unter die Erde, zu ruhn.
Bibliographische Daten
Adelbert von Chamisso (1781-1838)
Die drei Sonnen
Es wallte so silbernen Scheines …
1831
Spätromantik
Neuen Kommentar hinzufügen
Die Technik der Kommentarfunktion "DISQUS" wird von einem externen Unternehmen, der Big Head Labs, Inc., San Francisco/USA., zur Verfügung gestellt, die Moderation der Kommentare liegt allein bei Lyrik123.de. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.