Annette von Droste-Hülshoff Lebt wohl (1844)

  Lebt wohl, es kann nicht anders seyn!
  Spannt flatternd eure Segel aus,
  Laßt mich in meinem Schloß allein,
  Im öden geisterhaften Haus.

5 Lebt wohl und nehmt mein Herz mit euch
  Und meinen letzten Sonnenstrahl,
  Er scheide, scheide nur sogleich,
  Denn scheiden muß er doch einmal.

  Laßt mich an meines Seees Bord,
10 Mich schaukelnd mit der Wellen Strich,
  Allein mit meinem Zauberwort
  Dem Alpengeist und meinem Ich.

  Verlassen, aber einsam nicht,
  Erschüttert, aber nicht zerdrückt,
15 Solange noch das heil'ge Licht
  Auf mich mit Liebesaugen blickt,

  So lange mir der frische Wald
  Aus jedem Blatt Gesänge rauscht,
  Aus jeder Klippe, jedem Spalt
20 Befreundet mir der Elfe lauscht,

  Solange noch der Arm sich frei
  Und waltend mir zum Aether streckt,
  Und jedes wilden Geiers Schrei
  In mir die wilde Muse weckt.

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