August Wilhelm Schlegel Fortunat (Romanze) (1801)

  Thauig in des Mondscheins Mantel
           Liegt die stille Sommernacht,
  Und ein Ritter reitet singend
           Wiesenplan und Wald entlang.

5 Munter zu, mein gutes Pferdchen!
           Sagt er, klatscht ihm sanft den Hals;
  Weißt du nicht, daß wartend Lila
           An dem offnen Fenster wacht?

  Bist ja kein Turnier- und Streit-Roß,
10          Wie sein Retter steif und starr,
  Daß, den Stachel an der Stirne,
           Nur so blindlings rennen mag.

  Nein, du trägst auf seinen Zügen
           Den behenden Fortunat,
15 Schmiegst mit ihm dich still im Dunkel
           Ueber Stege, glatt und schmal.

  Bald zu dieser, bald zu jener
           Gieng die heimlich nächt'ge Bahn;
  Abends hin mit raschem Sehnen,
20          Früh zurück mit trägem Gram.

  Wann ich oft von deinem Rücken
           Mich zur hohen Kammer schwang,
  Stands du still, bis mich empfangen
           Der Geliebten zarter Arm.

25 Ja ich weiß, wenn eine Spröde
           Herz und Thür verschlöße gar,
  Würdest du mit leisem Rufe
           Klopfen, bis sie aufgethan.

  Wie er noch die Worte redet,
30          Oeffnet sich ein heimlich Thal.
  Bin ich, sprach er, irr' geritten?
           Ist mir's doch so unbekannt.

  Wunderlich durch Sträuch' und Bäume
           Schleicht des Mondes blaßer Strahl,
35 Und ein Busch mit blühn'den Rosen
           Winkt von drüben voll und schlank.

  Busch, ich grüß' in dir mein Bildniß,
           Rosen trägst du ohne Zahl;
  Und mir blüht im regen Herzen
40          So der Liebe süße Wahl.

  Manche reif, und Knospen andre,
           Alle doch verblüh'n sie bald,
  Und der Saft, der jene füllte,
           Wird den jüngern zugewandt.

45 Denn den Kelch, der sich entblättert,
           Schließet keines Willens Kraft.
  Lila, Lila! diese Knospen
           Droh'n dir meinen Unbestand.

  Aber daß du nicht ihn ahndest,
50          Komm, ich mit dem Kranz im Haar,
  Biet' ein schön erröthend Sträußchen
           Deinem weißen Busen dar.

  Rosen, Rosen! laßt euch pflücken,
           So zu sterben ist kein Harm:
55 O wie will ich euch zerdrücken
           Zwischen Brust und Brust so warm!

  Und er lenkt das Roß entgegen,
           Doch es scheut sich, wie es naht,
  Und er kann von keiner Seite
60          Dicht zur Rosenlaub' hinan.

  So gewohnt bei Nacht zu wandern,
           Thöricht Roß, wie kommt dir das?
  Fürchtest du die Licht' und Schatten,
           Wankend auf dem feuchten Gras?

65 Doch es tritt zurück und bäumt sich,
           Wie er spornt und wie er mahnt;
  Drauf mit seinen Vorderfüßen
           Stampfet es den Grund und scharrt.

  Wühlet weg den lockern Boden.
70          Tief und tiefer sich hinab.
  Schätze, glaub ich, willst du graben;
           Eben ist's ja Mitternacht.

  Unter seinem Huf nun dröhnt es,
           Das sind Bretter, ist ein Sarg,
75 Und es traf ein Schlag gewaltig,
           Daß der schwarze Deckel sprang.

  Schwingen will er sich vom Sattel,
           Doch er fühlt sich dran gebannt,
  Und der Gaul steht jetzo ruhig
80          Vor dem Sarg,im Boden halb.

  Und es hebt sich wie vom Schlummer
           Eine weibliche Gestalt,
  Deren Züge blaßer Kummer,
           Aber sanfte Lieb' umwallt.

85 Kommst du, hier mich zu besuchen,
           Deine Clara, Fortunat?
  Diese Linden, diese Buchen
           Waren Zeugen unsrer That.

  Wie du Treue mir geschworen,
90          Wie dein Mund so flehend bat,
  Meine Ros' ist dann verloren,
           Und die Scham danieder trat.

  Doch die Sünde ward mir theuer,
           Mahnte nun mich früh und spat;
95 Für des Angedenkens Feuer
           Wußt' ich keinen andern Rath,

  Als mich hier so kühl zu betten,
           Wie du siehst, daß ich gethan.
  Ach! ich hofft' in Liebesketten
100          Dich noch einmal hier zu fahn.

  Von des stillen Thales Schooße
           Wird geschirmt die bange Scham;
  Lieb' erzog hier manche Rose
           Für die eine. die sie nahm.

105 Sieh dieß Lager, traut und enge,
           Wie ich sorgsam anbefahl,
  Daß es uns zusammendränge
           Zu der süßen Wolllust Qual.

  Durch des Vorhangs grünen Schleier
110          Bricht kein unwillkommner Strahl,
  Und uns weckt aus ew'ger Feier
           Keiner Mond' und Sonnen Zahl.

  In den kühlen Arm zu sinken
           Beut die heiße Brust mir dar.
115 Deine Seel' im Kuße trinken
           Will ich nun und immerdar.

  Leise zieht sie ihn hernieder:
           Schöner Jüngling, so erstarrt?
  Kaum gebrochne Augen hebend,
120          Sinkt er zu ihr in den Sarg.

  Lila, Lila! wollt' er lispeln,
           Doch es ward ein sterbend Ach,
  Weil alsbald des Grabes Schauer
           Seinen Lebenshauch verschlang.

125 Mit Getöse taumeln wieder
           Fest die Bretter auf den Sarg,
  Und ein Sturm verwühlt die Erde,
           Die der Gaul hat aufgescharrt.

  Heftig bricht er alle Rosen,
130          Säuselnd blättern sie sich ab,
  Streu'n sich zu des Brautbetts Weihe
           Purpurn auf das grüne Gras.

  Weit ist schon das Roß entsprungen,
           Flüchtig durch Gebirg' und Wald,
135 Kommt erst mit den Tages Anbruch
           Vor der Hütte Lila's an.

  Bleibt da stehn, gezäumt, gesattelt,
           Ledig, mit gesenktem Hals,
  Bis die arme schlummerlose
140          Seine Botschaft wohl verstand.

  Und dann floh es in die Wildniß,
           Wo kein Aug' es wieder sah,
  Wollte keinem Ritter dienen
           Nach dem schlanken Fortunat.

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