Balthasar Wilhelm Friedrich Zimmermann Enzio’s, des letzten Staufen, Tod (1837)

  »O König, schöner König
  Mit deinem goldnen Haar,
  Mit deinen blauen Augen,
  Gefangner stolzer Aar,
5 Wie Reno's Welle schallet,
  Dein Lied so lustig und frei,
  Im Kerker und in Banden
  Bricht nicht dein Herz entzwei?«

  Im Kerker und in Banden
10 Blieb Lust und Hoffen mir treu,
  Den Leib sie schlugen in Bande,
  Die Seele blieb mir frei.
  Noch leuchtet am Himmel die Sonne,
  Die Sterne, sie glänzen noch hell,
15 Noch trägt mein Vater die Krone,
  Der rettet, der rettet mich schnell.

  »O König, schöner König,
  Wirf Lust und Hoffen in's Meer,
  Die Sonne leuchtet am Himmel,
20 Die goldene Sonne nicht mehr!
  Laß alle Schleußen springen
  Des Schmerzes blutigroth,
  Dein Vater, der ist gestorben,
  Der Kaiser, der Kaiser ist todt.«

25 Und ist mein Vater gestorben,
  Der große Friederich todt,
  So sey sie Gott geklaget,
  Des Reichs und meine Noth.
  Zehn Monde will ich klagen
30 Ein großes tiefes Leid,
  Zehn Monde will ich tragen
  Ein schwarzes Trauerkleid.«

  Die Vögel will ich lehren
  Meines Schmerzes Melodien,
35 Die Wogen sollen klagend
  Nach meinen Weisen ziehn.
  Doch locke der Frühling wieder
  Die Klänge der Lust herfür:
  Noch glänzen am Himmel die Sterne,
40 Noch leben die Brüder mir.

  »O König, schöner König,
  Wirf Lust und Hoffen in's Meer,
  Die Sterne glänzen am Himmel,
  Die hellen Sterne nicht mehr.
45 Die Brüder sind gefallen
  In heißer, blutiger Schlacht,
  Du bist der letzte Trümmer
  Von deines Hauses Pracht.«

  Und sind sie gestürzt aus den Höhen,
50 Die Sterne so feurig und klar,
  So will ich mit Staub mich besäen,
  Mit Asche dieß goldene Haar.
  Wie ein Sohn um seine Mutter,
  Um's Kind die Nachtigall,
55 So will, Blut weinend, ich klagen
  Um meines Hauses Fall.

  Doch wird's auf den Auen lustig,
  Und schallet der Vögel Gesang,
  So hall' im Thurm auch wieder
60 Aufs Neu der Freude Klang:
  Mein Vater stieg in den Himmel,
  Die Brüder sanken in's Grab.
  Doch Freund und Harf und Liebe,
  Das ist's, was ich noch hab'.

65 Zwei Sonnen, der Liebsten Augen,
  Sie schmücken das Kerkerhaus
  Mit himmlisch hellen Strahlen
  Zum Königssaal mir aus.
  Des Freundes Muth verschönet
70 Den Bund beim rosigen Wein,
  Und lustiges Harfenspiel tönet
  In's blühende Land hinein.

  »O König, schöner König,
  Wirf Lust und Hoffen in's Meer,
75 Ich sah Sie gestern begraben,
  Dein Herzlieb ist nicht mehr.
  Im Unglück dein heitrer Geselle,
  Der treue Freund ist todt,
  Heut Nacht hat er verblutet
80 Für dich auf dem Schaffot.«

  Und ist mein Herzlieb gestorben,
  Und hat verblutet die Treu,
  Das könnt' ein Herz wohl brechen,
  Das Herz im Leib entzwei.
85 Den Vater, die Brüder, die Liebe,
  Den Freund verschlang das Grab:
  So bist du, Harfe, mein Alles, ,
  Was ich im Leid noch hab'.

  Zur Klage will ich dich stimmen,
90 Daß bleich die Sonne scheint,
  Daß Mond und Stern' erblinden
  Und Ros' und Lilie weint.
  Und zwischen die Klage web' ich,
  Die alten Lieder hinein,
95 Daß mich die Geister umschweben
  Der Herzallerliebsten mein.

  Die alten lustigen Lieder,
  Sie seyen die goldene Brücke,
  Die trage mein weißes Liebchen
100 An's heiße Herz mir zurücke.
  Die alten lustigen Lieder,
  Die rufen als Festtagsgeläut
  Den lieben Freund aus dem Grabe,
  Die alte, fröhliche Zeit.

105 v»O König, schöner König,
  Wirf Lust und Hoffen in's Meer,
  In diesern Mauern schallet . ,
  Kein Klang der Saiten mehr.
  Die Harfe, die heitere Seele,
110 Sie woll'n sie zerschlagen dir,
  Einsam in der Kerkerhöhle
  Vertrauern sollst du hinfür.«

  Und woll'n sie die Harf mir zerschlagen,
  Fahr wohl denn, Lust und Schmerz,
115 So mögen sie mich begraben,
  Sie haben zerbrochen mein Herz.
  Mein Herz und meine Harfe,
  So singt eu'r Schwanenlied,
  Ade, du schöne Erde!
120 Der letzte Staufe schied.

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