Christian Adolf Overbeck Sehnsucht nach dem Frühling (1775)
Komm’, lieber Mai, und mache die Bäume wieder grün,
Und lass’ uns an dem Bache die kleinen Veilchen blühn!
Wie möchten wir so gerne ein Veilchen wieder sehn,
Ach, lieber Mai, wie gerne einmal spaziren gehn
5 Zwar Wintertage haben wol auch der Freuden viel:
Man kann im Schnee eins traben und treibt manch’ Abendspiel,
Baut Häuserchen von Karten, spielt Blindekuh und Pfand;
Auch giebt’s wohl Schlittenfahrten auf’s liebe freie Land;
Doch wenn die Vöglein singen und wir dann froh und flink
10 Auf grünem Rasen springen, das ist ein ander Ding!
Jetzt muß mein Steckenpferdchen dort in dem Winkel stehn,
Denn draußen in dem Gärtchen kann man vor Schmutz nicht gehn.
Am meisten aber dauert mich Lottchens Herzeleid:
Das arme Mädchen lauert recht auf die Blumenzeit;
15 Umsonst hol’ ich ihr Spielchen zum Zeitvertreib herbei;
Sie sitzt auf ihrem Stühlchen wie’s Hühnchen auf dem Ei.
Ach, wenn’s doch erst gelinder und grüner draußen wär!
Komm’, lieber Mai! Wir Kinder, wir bitten gar zu sehr!
O komm’ und bring’ vor allen uns viele Veilchen mit,
20 Bring’ auch viel Nachtigallen und schöne Kuckuks mit. –

Bibliographische Daten
Christian Adolf Overbeck (1755-1821)
Sehnsucht nach dem Frühling
Komm’, lieber Mai, und mache die Bäume wieder grün, …
1775
Klassik
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