Christian Felix Weisse Ein Mädchen, das auf Ehre hielt
Ein Mädchen, das auf Ehre hielt,
Liebt einst ein Edelmann,
Da er schon längst nach ihr gezielt,
Traf er allein sie an.
5 Er stieg sogleich vom Pferd und sprach:
Komm, küsse Deinen Herrn!
Sie rief vor Angst und Schrecken: Ach!
Ach ja, von Herzen gern.
Sei ruhig, sprach er, liebes Kind,
10 Und schenke mir dein Herz!
Denn meine Lieb ist treu gesinnt,
Nicht Leichtsinn oder Scherz.
Dich mach ich glücklich:
Nimm dies Geld, den Ring, die goldne Uhr,
15 Und hab ich sonst, was die gefällt,
O sag's und fodre nur!
Nein, sagt sie, das wär viel gewagt:
Mein Bruder möcht es sehn,
Und wenn er's meinem Vater sagt,
20 Wie wird mir's dann ergehn!
Er ackert uns hier allzunah,
Sonst könnt es wohl geschehn.
Schaut nur, von jenem Hügel da
Könnt Ihr ihn ackern sehn.
25 Indem der Junker geht und sieht,
Schwingt sich das lose Kind
Auf seinen Rappen und entflieht
Geschwinder als der Wind.
Lebt wohl, rief sie, mein gnädger Herr!
30 So räch ich meine Schmach.
Ganz eingewurzelt stehet er
Und gafft ihr staunend nach.

Bibliographische Daten
Christian Felix Weisse (1726-1804)
Ein Mädchen, das auf Ehre hielt
Ein Mädchen, das auf Ehre hielt, …
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