David Friedrich Strauß An Rapp (1873)

  Du nimmst als Strebenden
  Den kranken Mann,
  Siehst als noch Lebenden
  Den Todten an.
5 O rufe nicht zur Wehr,
  Mich nicht zum Thun;
  Mir ziemt kein Kämpfen mehr,
  Mir ziemt nur Ruhn.

  Lieg ich im Bette hier
10 Wie in der Gruft,
  Steigt der Gedanke mir
  Hoch in die Luft;
  Ich überschau' als Schwan
  Mit Vogelblick
15 Des Lebens wirre Bahn
  Und mein Geschick.

  Nicht war, was ich geschafft,
  Allwege gut.
  Ach, bald gebrach's an Kraft
20 Und bald an Muth.
  Hier von des Glückes Huld
  Ward ich begrüßt;
  Dort hab' ich eigne Schuld
  Wie schwer gebüßt.

25 Das, halb im Traume, geht
  An mir vorbei,
  Mein Leben ist verweht,
  Und ich bin frei.
  Was blieb dir, Seele, nun,
30 Als daß mit Ernst
  Du in dir selber ruhn?
  Du sterben lernst?
  Dec. 1873

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