Eduard Mörike An eine Aeolsharfe (1837)

  Tu semper urges flebilibus modis
  Mysten ademptum: nec tibi Vespero
     Surgente decedunt amores,
       Nec rapidum fugiente Solem.
5                                          Hor.

  Angelehnt an die Efeuwand
  Dieser alten Terrasse,
  Du, einer luftgebornen Muse
  Geheimnisvolles Saitenspiel,
10 Fang an,
  Fange wieder an
  Deine melodische Klage!

  Ihr kommet, Winde, fern herüber,
  Ach! von des Knaben,
15 Der mir so lieb war,
  Frisch grünendem Hügel.
  Und Frühlingsblüten unterweges streifend,
  Übersättigt mit Wohlgerüchen,
  Wie süß bedrängt ihr dies Herz!
20 Und säuselt her in die Saiten,
  Angezogen von wohllautender Wehmut,
  Wachsend im Zug meiner Sehnsucht
  Und hinsterbend wieder.

  Aber auf einmal,
25 Wie der Wind heftiger herstößt,
  Ein holder Schrei der Harfe
  Wiederholt, mir zu süßem Erschrecken,
  Meiner Seele plötzliche Regung;
  Und hier – die volle Rose streut, geschüttelt,
30 All ihre Blätter vor meine Füße!

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