Eduard Mörike Die Hochzeit (1824)

     Aufgeschmückt ist der Freudensaal;
  Lichterhell, bunt, in laulicher Sommernacht
  Stehet das offene Gartengezelte;
  Säulengleich steigen,
5 Reichlich durchwirket mit Laubwerk,
  Die stolzen Leiber
  Sechs gezähmter riesiger Schlangen,
  Tragend und stützend das
  Leicht gegitterte Dach.

10    Aber die Braut noch wartet bescheiden
  In dem Kämmerlein ihres Hauses.
  Endlich bewegt sich der Zug der Hochzeit,
  Fackeln tragend,
  Feierlich stumm.
15 Und in der Mitte,
  Mich an der linken Hand,
  Schwarzgekleidet geht einfach die Braut;
  Schöngefaltet ein Scharlachtuch
  Liegt um den zierlichen Kopf geschlagen,
20 Lächelnd geht sie dahin;
  Das Mahl schon duftet.

     Später, im Lärmen des Fests,
  Stahlen wir seitwärts uns beide
  Weg, nach den Schatten des Gartens wandelnd,
25 Wo im Gebüsche die Rosen brannten,
  Wo der Mondstrahl um Lilien zuckte,
  Wo die Bäume vom Nachttau troffen.

     Und nun strich sie mir, stillestehend,
  Seltsamen Blicks mit dem Finger die Schläfe:
30 Jählings versank ich in tiefen Schlummer.
  Aber gestärkt vom Wunderschlafe
  Bin ich erwacht zu glückseligen Tagen,
  Führte die seltsame Braut in mein Haus ein.

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