Friedrich Haug Die Wittwe
Noch saß im schwarzen Kleide
Fernando's Wittwe da.
Ob auch in tiefem Leide?
Ich hoff' und glaube: ja!
5 Ihr trat ein junger Sänger
Und Zitterspieler nah',
Und sang den "Vogelfänger,
Juchheisa, hopsasa!"
Voll Würde rief sie plötzlich
10 Dem schönen Jüngling Dank.
Laß ab! Mir klingt entsetzlich
Dein Zauberflötenschwank.
Für ernste Wittwenscenen
Taugt Opernposse nicht!"
15 Sie barg ins Tuch der Tränen
Ihr Frühlingsangesicht.
Wohl, sprach er, "Müssen bitter
Der Trennung Schmerzen sein;
Doch stimmt auch meine Zitter
20 In's Leid der Herzen ein.
Rings Schwermut zu verbreiten
Gelang mir öfter schon."
Er rührte flugs die Saiten
Und sang im Klageton:
25 Ich verlange nur hinüber!
Wann endet die Qual?
Dein auf ewig, o du Lieber
Verklärter Gemahl."
Ach, mich ergreift es schaurig!
30 Rief ihm die Wittwe zu.
Du sangst fürwahr zu traurig,
Zu langsam spieltest du!"
Frau! Leiden wegzusingen,
Gelang mir öfter schon.
35 Auch heute solls gelingen!"
Er sang in mild'rem Ton:
Ich verlange nur hinüber!
Wann endet die Qual?
Dein auf ewig, o du lieber
40 Verklärter Gemahl!"
Ich fühl's, mein Weh ist linder,
Du braver Zittermann!
Doch singe noch geschwinder,
Vielleicht genes' ich dann."
45 Wohlan, du Schmuck der Schönen!
Ich werb' um deine Gunst,
Und zeig' in raschen Tönen
Die Wundermacht der Kunst.
O verlange nicht hinüber!
50 O stille von Qual!
Dich umfange noch ein lieber,
Ein zweiter Gemahl!"
Sie hielt sich nicht mehr länger,
Sie hub zu tanzen an.
55 Vortrefflich, schöner Sänger!
Komm! sei mein zweiter Mann!"

Bibliographische Daten
Friedrich Haug (1761-1829)
Die Wittwe
Noch saß im schwarzen Kleide …
Folgt...
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