Friedrich Haug Fernando’s Lied

  Schön Klare, zwanzig Sommer alt,
  Glich Raphaels Madonne,
  War überirrdisch von Gestalt,
  Und meines Herzens Wonne.
5 Nie soll ihr holdes Zauberbild
  Aus meiner Seele schwinden,
  Und einst im Lichtgefild,
  Wo keine Träne quillt,
  Wo Gott vergilt,
10 Sie meinen Himmel gründen.

  Wo ist ein Dichtergenius,
  Der ganz mein Heil beschriebe?
  Ich wagte liebend einen Kuß;
  Sie schwur mir Gegenliebe. -
15 Nie soll ihr holdes Zauberbild
  Aus meiner Seele schwinden,
  Und einst im Lichtgefild,
  Wo keine Träne quillt,
  Wo Gott vergilt,
20 Sie meinen Himmel gründen.

  Don Pedro reich an Gold und List
  Bot Herz und Hand und Güter.
  Sie sprach: »in meinem Herzen ist
  Fernando nur Gebieter.«
25 Nie soll ihr holdes Zauberbild
  Aus meiner Seele schwinden,
  Und einst im Lichtgefild,
  Wo keine Träne quillt,
  Wo Gott vergilt,
30 Sie meinen Himmel gründen.

  Der Vater, ihrem Flehen taub,
  Zwingt, opfert meine Klare.
  Sie wankte, des gefaßten Raub,
  Tod ahnend zum Altare.
35 Nie soll ihr holdes Zauberbild
  Aus meiner Seele schwinden,
  Und einst im Lichtgefild,
  Wo keine Träne quillt,
  Wo Gott vergilt,
40 Sie meinen Himmel gründen.

  Kein Ja. - Sie riß mit lautem »Nein!«
  Den Brautkranz aus dem Haare.
  Sie lallte noch: »Fernando, dein!«
  Und starb am Hochaltare.
45 Nie soll ihr holdes Zauberbild
  Aus meiner Seele schwinden,
  Und einst im Lichtgefild,
  Wo keine Träne quillt,
  Wo Gott vergilt,
50 Sie meinen Himmel gründen.

  O Klare! Jubelnd grüßten dich
  Seraphen, deine Brüder. -
  Bald tödten Schmerz und Sehnen mich.
  Dann trennt kein Schicksal wieder.
55 Nie soll ihr holdes Zauberbild
  Aus meiner Seele schwinden,
  Und einst im Lichtgefild,
  Wo keine Träne quillt,
  Wo Gott vergilt,
60 Sie meinen Himmel gründen.