Friedrich Hebbel Liebeszauber (1853)
Schwül wird diese Nacht. Am Himmelsbogen
Ziehn die Wolken dichter sich zusammen,
Breit beglänzt von Wetterleuchtens Flammen
Und von roten Blitzen scharf durchzogen.
5 Alles Leben ist in sich verschlossen,
Kaum nur, daß ich mühsam Atem hole;
Selbst im Beete dort die Nachtviole
Hat den süßen Duft noch nicht ergossen.
Jedes Auge wär schon zugefallen,
10 Doch die Herzen sind voll Angst und zittern
Vor den zwei sich kreuzenden Gewittern,
Deren Donnergrüße bald erschallen.
Jene Alte schleppt sich zur Kapelle,
Doch sie wird den Heilgen nicht erblicken,
15 Eh die Wolken ihre Blitze schicken,
Betend kauert sie sich auf der Schwelle.
Ist das nicht des Liebchens taube Muhme?
Ja! So will ich hier nicht länger weilen,
Will zu ihr, zu ihrem Fenster eilen,
20 Und dort lauschen, statt am Heiligtume.
Weiß ichs denn? Kann nicht ein Blitz da zünden?
Kann ich, wenn ich aus der Glut sie rette,
Nicht - o dass er schon gezündet hätte! -
Ihr mein süß Geheimnis endlich künden?
25 Sieh, da bin ich schon! Beim Lampenlichte
Sitzt sie, in die weiße Hand das Köpfchen
Stützend, mit noch aufgeflochtnen Zöpfchen,
Stillen Schmerz im blassen Angesichte.
Horch, der erste Donnerschlag! Es krachen
30 Tür und Tor! Sie scheint es nicht zu hören!
Wessen denkt sie? Wüsst ichs, würd ich schwören:

Bibliographische Daten
Friedrich Hebbel (1813-1863)
Liebeszauber
Schwül wird diese Nacht. Am Himmelsbogen …
1853
Realismus
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