Friedrich Hölderlin Abendphantasie (1799)
Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt
Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.
Gastfreundlich tönt dem Wandrer im
Friedlichen Dorfe die Abendglocke.
5 Wohl kehren itzt die Schiffer zum Hafen auch,
In fernen Städten, fröhlich verrauscht des Markts
Geschäft'ger Lärm; in stiller Laube
Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.
Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen
10 Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh' und Ruh'
Ist alles freudig; warum schläft denn
Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?
Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;
Unzählig blühn die Rosen und ruhig scheint
15 Die goldene Welt; o dorthin nimmt mich
Purpurne Wolken! und möge droben
In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb' und Leid'! –
Doch, wie verscheucht von töriger Bitte, flieht
Der Zauber; dunkel wirds, und einsam
20 Unter dem Himmel, wie immer, bin ich –
Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt
Das Herz; doch endlich, Jugend! verglühst du ja,
Du ruhelose, träumerische!
Friedlich und heiter ist dann das Alter.

Bibliographische Daten
Friedrich Hölderlin (1770-1843)
Abendphantasie
Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt …
1799
Frühromantik
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