Friedrich Hölderlin Andenken (1805)

  Der Nordost wehet,
  Der liebste unter den Winden
  Mir, weil er feurigen Geist
  Und gute Fahrt verheißet den Schiffern.
5 Geh aber nun und grüße
  Die schöne Garonne,
  Und die Gärten von Bordeaux
  Dort, wo am scharfen Ufer
  Hingehet der Steg und in den Strom
10 Tief fällt der Bach, darüber aber
  Hinschauet ein edel Paar
  Von Eichen und Silberpappeln;

  Noch denket das mir wohl und wie
  Die breiten Gipfel neiget
15 Der Ulmwald, über die Mühl',
  Im Hofe aber wächset ein Feigenbaum.
  An Feiertagen gehn
  Die braunen Frauen daselbst
  Auf seidnen Boden,
20 Zur Märzenzeit,
  Wenn gleich ist Nacht und Tag,
  Und über langsamen Stegen,
  Von goldenen Träumen schwer,
  Einwiegende Lüfte ziehen.

25 Es reiche aber,
  Des dunkeln Lichtes voll,
  Mir einer den duftenden Becher,
  Damit ich ruhen möge; denn süß
  Wär' unter Schatten der Schlummer.
30 Nicht ist es gut,
  Seellos von sterblichen
  Gedanken zu sein. Doch gut
  Ist ein Gespräch und zu sagen
  Des Herzens Meinung, zu hören viel
35 Von Tagen der Lieb',
  Und Taten, welche geschehen.

  Wo aber sind die Freunde? Bellarmin
  Mit dem Gefährten? Mancher
  Trägt Scheue, an die Quelle zu gehn;
40 Es beginnet nämlich der Reichtum
  Im Meere. Sie,
  Wie Maler, bringen zusammen
  Das Schöne der Erd' und verschmähn
  Den geflügelten Krieg nicht, und
45 Zu wohnen einsam, jahrlang, unter
  Dem entlaubten Mast, wo nicht die Nacht durchglänzen
  Die Feiertage der Stadt,
  Und Saitenspiel und eingeborener Tanz nicht.

  Nun aber sind zu Indiern
50 Die Männer gegangen,
  Dort an der luftigen Spitz'
  An Traubenbergen, wo herab
  Die Dordogne kommt,
  Und zusammen mit der prächt'gen
55 Garonne meerbreit
  Ausgehet der Strom. Es nehmet aber
  Und gibt Gedächtnis die See,
  Und die Lieb' auch heftet fleißig die Augen,
  Was bleibet aber, stiften die Dichter.

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