Friedrich Hölderlin Mein Eigentum (1799)
In seiner Fülle ruhet der Herbsttag nun,
Geläutert ist die Traub und der Hain ist rot
Vom Obst, wenn schon der holden Blüten
Manche der Erde zum Danke fielen.
5 Und rings im Felde, wo ich den Pfad hinaus
Den stillen wandle, ist den Zufriedenen
Ihr Gut gereift, und viel der frohen
Mühe gewähret der Reichtum ihnen.
Vom Himmel blicket zu den Geschäftigen
10 Durch ihre Bäume milde das Licht herab,
Die Freude teilend, denn es wuchs durch
Hände der Menschen allein die Frucht nicht.
Und leuchtest du, o Goldnes, auch mir, und wehst
Auch du mir wieder Lüftchen, als segnetest
15 Du eine Freude mir, wie einst, und
Irrst, wie um Glückliche, mir am Busen?
Einst war ichs, doch wie Rosen, vergänglich war
Das fromme Leben, ach und es mahnen noch,
Die blühend mir geblieben sind, die
20 Holden Gestirne zu oft mich dessen.
Beglückt, wer, ruhig liebend ein frommes Weib,
Am eignen Herd in rühmlicher Heimat lebt,
Es leuchtet über festem Boden
Schöner dem sicheren Mann sein Himmel.
25 Denn, wie die Pflanze, wurzelt auf eignem Grund
Sie nicht, verglüht die Seele des Sterblichen,
Der mit dem Tageslichte nur, ein
Armer, auf heiliger Erde wandelt.
Zu mächtig ach! ihr himmlischen Höhen zieht
30 Ihr mich empor; bei Stürmen, am heitern Tag
Fühl ich verzehrend euch im Busen
Wechseln, ihr wandelnden Götterkräfte.
Doch heute laß mich stille den trauten Pfad
Zum Haine gehn, dem golden die Wipfel schmückt
35 Sein sterbend Laub, und kränzt auch mir die
Stirne, ihr holden Erinnerungen!
Und daß auch mir zu retten mein sterblich Herz,
Wie andern eine bleibende Stätte sei,
Und heimatlos die Seele mir nicht
40 Über das Leben hinweg sich sehne
Sei du, Gesang, mein freundlich Asyl! sei du
Beglückender! mit sorgender Liebe mir
Gepflegt, der Garten, wo ich, wandelnd
Unter den Blüten, den immerjungen
45 In sichrer Einfalt wohne, wenn draußen mir
Mit ihren Wellen allen die mächtge Zeit
Die Wandelbare fern rauscht und die
Stillere Sonne mein Wirken fördert.
Ihr segnet gütig über den Sterblichen
50 Ihr Himmelskräfte! jedem sein Eigentum,
O segnet meines auch und daß zu
Frühe die Parze den Traum nicht ende.

Bibliographische Daten
Friedrich Hölderlin (1770-1843)
Mein Eigentum
In seiner Fülle ruhet der Herbsttag nun, …
1799
Frühromantik
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