Friedrich Rückert Das versunkene Dorf (1815)

  Es ist eine Wüstung gelegen,
       Ist Abermannsdorf genannt;
       Es heißt noch ein Dorf bis heute,
       Aber die ältesten Leute
5      Haben das Dorf nicht gekannt.
  Es ist verschlungen worden,
       In den Erdboden hinein
       Ist es worden verschlungen
       Mit Alten und Jungen,
10      Mit Mann, Maus und Stein.
  Kein Malzeichen ist blieben,
       Kein Trumm und keine Spur;
       Von den Häusern kein Gebälke;
       Von den Mauern kein Gekälke;
15      's ist ebene Wiesenflur.
  Als Knab' hab' ich noch gesehen
       Von der Dorflind' einen Stumpf;
       Jetzt ist auch der versunken,
       Es hat wie mit Armen den Strunken
20      Gezogen hinab in den Sumpf.
  Wenn man's Ohr legt auf den Boden,
       Höret man's drunten wohl,
       Wie die heimlichen Wasser brausen,
       Wie sie fressen mit Grausen
25      Den Boden unter uns hohl.
  Wohl hat es auf der Erde
       Das Böse weit gebracht.
       Wenn sie wollt' alle Schande
       Verschlingen, wer im Lande
30      Wär' sicher bis Mitternacht?

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