Friedrich Rückert Kinderlied von den grünen Sommervögeln (1840)

  Es kamen grüne Vögelein
       Geflogen her vom Himmel,
       Und setzten sich im Sonnenschein
       In fröhlichem Gewimmel
5      All' an des Baumes Äste,
       Und saßen da so feste,
       Als ob sie angewachsen sein.
  Sie schaukelten in Lüften lau
       Auf ihren schwanken Zweigen;
10      Sie aßen Licht und tranken Tau
       Und wollten auch nicht schweigen,
       Sie sangen leise, leise
       Auf ihre stille Weise
       Von Sonnenschein und Himmelblau.
15 Wenn Wetternacht auf Wolken saß,
       So schwirrten sie erschrocken;
       Sie wurden von dem Regen naß,
       Und wurden wieder trocken;
       Die Tropfen rannen nieder
20      Vom grünenden Gefieder,
       Und desto grüner wurde das.
  Da kam am Tag der scharfe Strahl,
       Ihr grünes Kleid zu sengen,
       Und nächtlich kam der Frost einmal,
25      Mit Reif es zu besprengen.
       Die armen Vöglein froren,
       Ihr Frohsinn war verloren,
       Ihr grünes Kleid ward bunt und fahl.
  Da trat ein starker Mann zum Baum,
30      Und hub ihn an zu schütteln,
       Vom obern bis zum untern Raum
       Mit Schauer zu durchrütteln;
       Die bunten Vöglein girrten
       Und auseinander schwirrten;
35      Wohin sie flogen, weiß man kaum.

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