Friedrich Rückert O süße Mutter! (1840)

  »O süße Mutter,
      Ich kann nicht spinnen,
      Ich kann nicht sitzen
      Im Stüblein innen
5     Im engen Haus;
      Es stockt das Rädchen
      Es reißt das Fädchen,
      O süße Mutter,
      Ich muß hinaus.
10 »Der Frühling zucket
      Hell durch die Scheiben;
      Wer kann nun sitzen,
      Wer kann nun bleiben
      Und fleißig sein?
15     O laß mich gehen
      Und laß mich sehen,
      Ob ich kann fliegen
      Wie Vögelein.
  »O laß mich sehen,
20     O laß mich lauschen,
      Wo Lüftlein wehen,
      Wo Bächlein rauschen,
      Wo Blümlein blühn.
      Laß sie mich pflücken
25     Und schön mir schmücken
      Die braunen Locken
      Mit buntem Grün.
  »Und kommen Knaben
      Im wilden Haufen;
30     So will ich traben,
      So will ich laufen,
      Nicht stille stehn;
      Will hinter Hecken
      Mich hier verstecken,
35     Bis sie mit Lärmen
      Vorübergehn.
  »Bringt aber Blumen
      Ein frommer Knabe,
      Die ich zum Kranze
40     Just nötig habe;
      Was soll ich thun?
      Darf ich wohl nickend
      Ihm freundlich blickend,
      O süße Mutter,
45     Zur Seit' ihm ruhn?«

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