Friedrich Schiller Der Pilgrim (1803)

  Noch in meines Lebens Lenze
      War ich und ich wandert' aus,
  Und der Jugend frohe Tänze
      Ließ ich in des Vaters Haus.

5 All mein Erbteil, meine Habe
      Warf ich fröhlich glaubend hin,
  Und am leichten Pilgerstabe
      Zog ich fort mit Kindersinn.

  Denn mich trieb ein mächtig Hoffen
10     Und ein dunkles Glaubenswort,
  Wandle riefs, der Weg ist offen,
      Immer nach dem Aufgang fort.

  Bis zu einer goldnen Pforten
      Du gelangst, da gehst du ein,
15 Denn das Irdische wird dorten
      Himmlisch unvergänglich sein.

  Abend wards und wurde Morgen,
      Nimmer, nimmer stand ich still,
  Aber immer bliebs verborgen,
20     Was ich suche, was ich will.

  Berge lagen mir im Wege,
      Ströme hemmten meinen Fuß,
  Über Schlünde baut ich Stege,
      Brücken durch den wilden Fluß.

25 Und zu eines Stroms Gestaden
      Kam ich, der nach Morgen floß,
  Froh vertrauend seinem Faden,
      Werf ich mich in seinen Schoß.

  Hin zu einem großen Meere
30     Trieb mich seiner Wellen Spiel,
  Vor mir liegts in weiter Leere,
      Näher bin ich nicht dem Ziel.

  Ach kein Steg will dahin führen,
      Ach, der Himmel über mir
35 Will die Erde nie berühren,
      Und das dort ist niemals hier.

Neuen Kommentar hinzufügen

Die Technik der Kommentarfunktion "DISQUS" wird von einem externen Unternehmen, der Big Head Labs, Inc., San Francisco/USA., zur Verfügung gestellt, die Moderation der Kommentare liegt allein bei Lyrik123.de. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.