Friedrich von Hardenberg Novalis Der ist der Herr der Erde (1802)

  Der ist der Herr der Erde,
  Wer ihre Tiefen mißt,
  Und jeglicher Beschwerde
  In ihrem Schoß vergißt.

5 Wer ihrer Felsenglieder
  Geheimen Bau versteht,
  Und unverdrossen nieder
  Zu ihrer Werkstatt geht.

  Er ist mit ihr verbündet,
10 Und inniglich vertraut,
  Und wird von ihr entzündet,
  Als wär sie seine Braut.

  Er sieht ihr alle Tage
  Mit neuer Liebe zu
15 Und scheut nicht Fleiß und Plage,
  Sie läßt ihm keine Ruh.

  Die mächtigen Geschichten
  Der längst verfloßnen Zeit,
  Ist sie ihm zu berichten
20 Mit Freundlichkeit bereit.

  Der Vorwelt heilge Lüfte
  Umwehn sein Angesicht,
  Und in die Nacht der Klüfte
  Strahlt ihm ein ewges Licht.

25 Er trifft auf allen Wegen
  Ein wohlbekanntes Land,
  Und gern kommt sie entgegen
  Den Werken seiner Hand.

  Ihm folgen die Gewässer
30 Hülfreich den Berg hinauf;
  Und alle Felsenschlösser,
  Tun ihre Schätz ihm auf.

  Er fährt des Goldes Ströme
  In seines Königs Haus,
35 Und schmückt die Diademe
  Mit edlen Steinen aus.

  Zwar reicht er treu dem König
  Den glückbegabten Arm,
  Doch frägt er nach ihm wenig
40 Und bleibt mit Freuden arm.

  Sie mögen sich erwürgen
  Am Fuß um Gut und Geld;
  Er bleibt auf den Gebirgen
  Der frohe Herr der Welt.

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