Friedrich von Hardenberg Novalis Fern im Osten wird es helle (1799)

  Fern im Osten wird es helle,
  Graue Zeiten werden jung;
  Aus der lichten Farbenquelle
  Einen langen tiefen Trunk!
5 Alter Sehnsucht heilige Gewährung,
  Süße Lieb in göttlicher Verklärung!

  Endlich kommt zur Erde nieder
  Aller Himmel selges Kind,
  Schaffend im Gesang weht wieder
10 Um die Erde Lebenswind,
  Weht zu neuen ewig lichten Flammen
  Längst verstiebte Funken hier zusammen.

  Überall entspringt aus Grüften
  Neues Leben, neues Blut;
15 Ewgen Frieden uns zu stiften,
  Taucht er in die Lebensflut;
  Steht mit vollen Händen in der Mitte,
  Liebevoll gewärtig jeder Bitte.

  Lasse seine milden Blicke
20 Tief in deine Seele gehn,
  Und von seinem ewgen Glücke
  Sollst du dich ergriffen sehn.
  Alle Herzen, Geister und die Sinnen
  Werden einen neuen Tanz beginnen.

25 Greife dreist nach seinen Händen,
  Präge dir sein Antlitz ein,
  Mußt dich immer nach ihm wenden,
  Blüte nach dem Sonnenschein;
  Wirst du nur das ganze Herz ihm zeigen,
30 Bleibt er wie ein treues Weib dir eigen.

  Unser ist sie nun geworden,
  Gottheit, die uns oft erschreckt,
  Hat im Süden und im Norden
  Himmelskeime rasch geweckt,
35 Und so laßt im vollen Gottes-Garten,
  Treu uns jede Knosp und Blüte warten.

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