Friedrich von Hardenberg Novalis Lobt doch unsre stillen Feste (1800)

  Lobt doch unsre stillen Feste,
  Unsre Gärten, unsre Zimmer
  Das bequeme Hausgeräte,
  Unser Hab und Gut.
5 Täglich kommen neue Gäste
  Diese früh, die andern späte
  Auf den weiten Herden immer
  Lodert frische Lebensglut.

  Tausend zierliche Gefäße
10 Einst betaut mit tausend Tränen,
  Goldne Ringe, Sporen, Schwerter
  Sind in unserm Schatz.
  Viel Kleinodien und Juwelen
  Wissen wir in dunkeln Höhlen
15 Keiner kann den Reichtum zählen
  Zählt er auch ohn Unterlaß.

  Kinder der Vergangenheiten,
  Helden aus den grauen Zeiten,
  Der Gestirne Riesengeister
20 Wunderlich gesellt,
  Holde Frauen, ernste Meister,
  Kinder, und verlebte Greise
  Sitzen hier in Einem Kreise
  Wohnen in der alten Welt.

25 Keiner wird sich je beschweren
  Keiner wünschen fortzugehen,
  Wer an unsern vollen Tischen
  Einmal fröhlich saß.
  Klagen sind nicht mehr zu hören
30 Keine Wunden mehr zu sehen
  Keine Tränen abzuwischen;
  Ewig läuft das Stundenglas.

  Tiefgerührt von heilger Güte
  Und versenkt in selges Schauen
35 Steht der Himmel im Gemüte,
  Wolkenloses Blau,
  Lange fliegende Gewande
  Tragen uns durch Frühlingsauen,
  Und es weht in diesem Lande
40 Nie ein Lüftchen kalt und rauh.

  Süßer Reiz der Mitternächte,
  Stiller Kreis geheimer Mächte,
  Wollust rätselhafter Spiele,
  Wir nur kennen euch.
45 Wir nur sind am hohen Ziele,
  Bald in Strom uns zu ergießen
  Dann in Tropfen zu zerfließen
  Und zu nippen auch zugleich.

  Uns ward erst die Liebe, Leben,
50 Innig wie die Elemente
  Mischen wir des Daseins Fluten,
  Brausend Herz mit Herz.
  Lüstern scheiden sich die Fluten
  Denn der Kampf der Elemente
55 Ist der Liebe höchstes Leben
  Und des Herzens eignes Herz.

  Leiser Wünsche süßes Plaudern
  Hören wir allein, und schauen
  Immerdar in selge Augen
60 Schmecken nichts als Mund und Kuß.
  Alles, was wir nur berühren
  Wird zu heißen Balsamfrüchten,
  Wird zu weichen zarten Brüsten,
  Opfer kühner Lust.

65 Immer wächst und blüht Verlangen
  Am Geliebten festzuhangen
  Ihn im Innern zu empfangen,
  Eins mit ihm zu sein,
  Seinem Durste nicht zu wehren
70 Sich im Wechsel zu verzehren,
  Von einander sich zu nähren
  Von einander nur allein.

  So in Lieb und hoher Wollust
  Sind wir immerdar versunken
75 Seit der wilde trübe Funken
  Jener Welt erlosch,
  Seit der Hügel sich geschlossen
  Und der Scheiterhaufen sprühte
  Und dem schauernden Gemüte
80 Nun das Erdgesicht zerfloß.

  Zauber der Erinnerungen,
  Heilger Wehmut süße Schauer
  Haben innig uns durchklungen
  Kühlen unsre Glut.
85 Wunden gibts, die ewig schmerzen
  Eine göttlich tiefe Trauer
  Wohnt in unser aller Herzen,
  Löst uns auf in Eine Flut.

  Und in dieser Flut ergießen
90 Wir uns auf geheime Weise
  In den Ozean des Lebens
  Tief in Gott hinein.
  Und aus seinem Herzen fließen
  Wir zurück zu unserm Kreise
95 Und der Geist des höchsten Strebens
  Taucht in unsre Wirbel ein.

  Schüttelt eure goldnen Ketten
  Mit Schmaragden und Rubinen,
  Und die blanken saubern Spangen
100 Blitz und Klang zugleich.
  Aus des feuchten Abgrunds Betten
  Aus den Gräbern und Ruinen
  Himmelsrosen auf den Wangen
  Schwebt ins bunte Fabelreich.

105 Könnten doch die Menschen wissen
  Unsre künftigen Genossen,
  Daß bei allen ihren Freuden
  Wir geschäftig sind,
  Jauchzend würden sie verscheiden
110 Gern das bleiche Dasein missen –
  O! die Zeit ist bald verflossen
  Kommt Geliebte doch geschwind.

  Helft uns nur den Erdgeist binden
  Lernt den Sinn des Todes fassen
115 Und das Wort des Lebens finden;
  Einmal kehrt euch um.
  Deine Macht muß bald verschwinden,
  Dein erborgtes Licht verblassen,
  Werden dich in kurzem binden,
120 Erdgeist, deine Zeit ist um.

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