Friedrich Wilhelm Gotter

Pflicht und Liebe (1780)

  Du, der ewig um mich trauert,
  Nicht allein, nicht unbedauert,
  Jüngling, seufzest du;
  Wann vor Schmerz die Seele schauert,
5 Lüget meine Stirne Ruh.

  Deines nassen Blickes Flehen
  Will ich, darf ich nicht verstehen;
  Aber zürne nicht!
  Was ich fühle, zu gestehen,
10 Untersagt mir meine Pflicht.

  Freund, schweif' aus mit deinen Blicken!
  Laß dich die Natur entzücken,
  Die dir sonst gelacht!
  Ach, sie wird auch mich beglücken,
15 Wenn sie dich erst glücklich macht.

  Trauter Jüngling, lächle wieder!
  Sieh, beim Gruße frohen Sangs
  Steigt die Sonn' empor!
  Trübe sank sie gestern nieder,
20 Herrlich geht sie heut' hervor.