Georg Heym Die Dämonen der Städte (1910)

  Sie wandern durch die Nacht der Städte hin,
  die schwarz sich ducken unter ihrem Fuß.
  Wie Schifferbärte stehen um ihr Kinn
  Die Wolken schwarz vom Rauch und Kohlenruß.

5 Ihr langer Schatten schwankt im Häusermeer
  Und löscht der Straßen Lichterreihen aus.
  Er kriecht wie Nebel auf dem Pflaster schwer
  Und tastet langsam vorwärts Haus für Haus.

  Den einen Fuß auf einen Platz gestellt,
10 Den anderen gekniet auf einen Turm,
  Ragen sie auf, wo schwarz der Regen fällt,
  Panspfeifen blasend in den Wolkensturm.

  Um Ihre Füße kreist das Ritornell
  Des Städtemeers mit trauriger Musik,
15 Ein großes Sterbelied. Bald dumpf, bald grell
  Wechselt der Ton, der in das Dunkel stieg.

  Sie wandern an dem Strom, der schwarz und breit
  Wie ein Reptil, den Rücken gelb gefleckt
  Von den Laternen, in die Dunkelheit
20 Sich traurig wälzt, die schwarz den Himmel deckt.

  Sie lehnen schwer auf einer Brückenwand
  Und stecken ihre Hände in den Schwarm
  Der Menschen aus, wie Faune, die am Rand
  Der Sümpfe bohren in den Schlamm den Arm.

25 Einer steht auf. Dem weißen Monde hängt
  Er eine schwarze Larve vor. Die Nacht,
  Die sich wie Blei vom finstern Himmel senkt,
  Drückt tief die Häuser in des Dunkels Schacht.

  Der Städte Schultern knacken. Und es birst
30 Ein Dach, daraus ein rotes Feuer schwemmt.
  Breitbeinig sitzen sie auf seinem First
  Und schrein wie Katzen auf zum Firmament.

  In einer Stube voll von Finsternissen
  Schreit eine Wöchnerin in ihren Wehn.
35 Ihr starker Leib ragt riesig aus den Kissen,
  Um den herum die großen Teufel stehn.

  Sie hält sich zitternd an der Wehebank.
  Das Zimmer schwankt um sie von ihrem Schrei,
  Da kommt die Furcht. Ihr Schoß klafft rot und lang
40 Und blutend reißt er von der Frucht entzwei.

  Der Teufel Hälse wachsen wie Giraffen.
  Das Kind hat keinen Kopf. Die Mutter hält
  Es vor sich hin. In ihrem Rücken klaffen
  Des Schrecks Froschfinger, wenn sie rückwärts fällt.

45 Doch die Dämonen wachsen riesengroß.
  Ihr Schläfenhorn zerreißt den Himmel rot.
  Erdbeben donnert durch der Städte Schoß
  Um ihren Huf, den Feuer überloht.

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