Gottfried Kinkel Ein geistlich Abendlied (1873)

  Es ist so still geworden,
  Verrauscht des Abends Wehn,
  Nun hört man allerorten
  Der Engel Füße gehn,
5 Rings in die Thale senket
  Sich Finsternis mit Macht –
  Wirf ab, Herz, was dich kränket
  Und was dir bange macht!

  Es ruht die Welt im Schweigen,
10 Ihr Tosen ist vorbei,
  Stumm ihrer Freude Reigen
  Und stumm ihr Schmerzenschrei.
  Hat Rosen sie geschenket,
  Hat Dornen sie gebracht –
15 Wirf ab, Herz, was dich kränket
  Und was dir bange macht!

  Und hast du heut gefehlet,
  O schaue nicht zurück;
  Empfinde dich beseelet
20 Von freier Gnade Glück.
  Auch des Verirrten denket
  Der Hirt auf hoher Wacht –
  Wirf ab, Herz, was dich kränket
  Und was dir bange macht!

25 Nun stehn im Himmelskreise
  Die Stern' in Majestät;
  In gleichem festem Gleise
  Der goldne Wagen geht.
  Und gleich den Sternen lenket
30 Er deinen Weg durch Nacht –
  Wirf ab, Herz, was dich kränket
  Und was dir bange macht!

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