Gottlieb Conrad Pfeffel Die Tanne (1780)

  Sieh, Doris, wie vom Mond bestrahlt
  Die Tanne glänzt . . wie schön!
  Vor jedem Baum hab ich im Wald
  Die Tanne mir ersehn.

5 Wie ruhig steht sie da im Thal,
  Gepflanzt von Gottes Hand!
  Es bleicht kein Reif, kein Sonnenstrahl
  Ihr ewiggrün Gewand.

  Auf ihren Ästen baut kein Wurm,
10 Kein falscher Weih sein Nest;
  Und neigt sich gleich ihr Haupt im Sturm,
  So steht ihr Fuß doch fest.

  So steht sie, bis aus schwüler Luft
  Ein Blitz sie niederstreckt;
15 Und dann noch haucht sie süßen Duft
  Bis kühles Moos sie deckt.

  Deckt, Doris, mich einst kühles Moos,
  So reiß im Mondesschein
  Aus unsrer Kinder Arm dich los,
20 Und wall in diesen Hain.

  An meine Tanne hingelegt,
  Sing dann in heiterm Ton
  Dein Lied, das mich so oft bewegt,
  Das vom Hylarion.

25 Und dringen Seufzer in das Lied,
  So blick den Himmel an,
  Von welchem der herunter sieht,
  Der uns vereinen kann.

  Und wenn, wie von des Zephyrs Wehn,
30 Der Tanne Wipfel bebt;
  So ists mein Geist, der ungesehn
  Ob deinem Scheitel schwebt.

  Und werf ich zu des Baumes Fuß
  Ein Zweiglein dir herab,
35 So weih es ein mit einem Kuß,
  Und steck es auf mein Grab.

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