Heinrich Gottfried Zitzmann Das Blumenopfer

  Noch schmückten zarte Blüten
  des Knaben weiches Haar,
  und Stirn und Wangen glühten
  mir, wenn ich einsam war.

5 Mich trieb ein leises Sehnen
  hinaus ins Mondenlicht;
  da flossen meine Tränen,
  warum? das wußt' ich nicht.

  Ich küsste die Kamille,
10 umschlang den Fliederbaum;
  mich wiegte rings die Stille
  in süßer Wehmut Traum.

  Mir ward so schwer, so bange;
  ich sah mich sehnend um,
15 und heißer ward die Wange,
  doch wußt' ich nicht, warum?

  Da trat zu mir ein Knabe,
  so sanft, so hold und schön,
  so lieb und freundlich habe
20 ich keinen mehr geseh'n:

  "Mir ist von deinem Sehnen,
  von deiner Wangen Brand
  und allen diesen Tränen
  die Ursach' wohl bekannt.

25 "Noch oft wird sich bekränzen
  die neu erwachte Flur,
  und immer wird dir glänzen
  im Bild der Sehnsucht Spur.

  "Noch oft wird dir es scheinen,
30 das traute Mondenlicht,
  und immer wirst du weinen,
  warum? das frage nicht!

  "Doch laß die Jahre schwinden
  und Tag' und Monden flieh'n,
35 einst wirst du Freuden finden,
  wie sie in Eden blüh'n.

  "Nimm diese Frühlingsblume,
  ich habe sie geweiht
  zu einem Heiligtume
40 für eine schön're Zeit.

  "Und kennst du einst, o Wonne!
  Ein Weib, wie Engel mild,
  als deiner Tage Sonne
  und deiner Träume Bild,

45 "Von Grazien gekleidet,
  vom Musenchor belehrt,
  von Weibern laut beneidet,
  von Männern still verehrt,

  "Die dir mit zarter Liebe
50 den Lebenskelch versüßt
  und jedes kummertrübe
  Gewölk vom Auge küßt,

  "So gib an einem Tage,
  der ihr geheiligt ist,
55 ihr diese Blum', und sage,
  daß du nun glücklich bist."

Neuen Kommentar hinzufügen

Die Technik der Kommentarfunktion "DISQUS" wird von einem externen Unternehmen, der Big Head Labs, Inc., San Francisco/USA., zur Verfügung gestellt, die Moderation der Kommentare liegt allein bei Lyrik123.de. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.