Heinrich Wilhelm von Gerstenberg Lied eines Mohren (1791)

  Darachna! komm, mein Wunsch, mein Lied!
  Darachna, komm! der Tag entflieht.
  Wo ist sie, sie mein Wunsch, mein Lied?
  Wo ist Darachna? Wie kömmts, daß sie verzieht?

5 Schwarz ist mein Mädchen, wie die Traube,
  Die durch die Blätter dieser Laube
  Mit süßem Most beladen glänzt.
  Süß ist ihr Mund, wie der Geruch der Blume,
  Die meine Stirn umkränzt.

10 Du Quell, der sich durch Goldsand schlängelt,
  Rausch mir's herüber, wo sie ist.
  Du rauschen Laub in Cederwäldern,
  Sag mir es, sag, wo mein Mädchen ist?

  Ich harre fühllos, daß der Sand
15 Die Fersen mir verzehrt, und meine Seufzer wecken
  die Tiger dieses Hains, die, durch den Durst entbrannt,
  Weh mir! mein Blut von ferne lecken.

  O Sonne! wenn auch ihr der Tod
  Aus Höhlen oder Wäldern droht!
20 Wenn eine Schlange sie umflicht,
  Ein Krokodill sie hascht, ein Scorpion sie sticht,
  Eh treff' ein Donner euch! Scheusale! wagt es nicht.

  Mein Herz, mein Herz fleucht ihr entgegen:
  Ich will an ihre Brust mich legen,
25 Das kleinste Röcheln spähn;
  Und horchen, wie sie schlägt,
  Und forschen, wo der Tod sich regt.

  Wie Ambraduft will ich dich, Tod!
  Mit jedem Odemzug aus ihren Adern trinken,
30 Auf ihren matten Busen sinken,
  Und mit ihm sterben: - Süßer Tod!

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