Hermann von Gilm zu Rosenegg Geduld

  Geduld, sagst du und zeigst mit weißen Finger
  auf meiner Zukunft fest geschlossne Tür.
  Ist die Minute, die da lebt, geringer
  als jene ungebornen? Sage mir!

5 Kannst mit der Liebe du den Lenz verschieben,
  dann borg' ich dir für eine Ewigkeit,
  doch mit dem Frühling endet auch das Lieben,
  und keine Herzensschulden zahlt die Zeit.

  Geduld, sagst du und senkst die schwarze Locke,
10 und stündlich fallen Blumenblätter ab,
  und stündlich fordert eine Totenglocke
  der Träne letztes Fahrgeld für das Grab.

  Sieh nur die Tage schnell vorüberrinnen,
  horch, wie sie mahnend klopfen an die Brust,
15 mach auf, mach auf, was wir nicht heut gewinnen,
  ist morgen unersetzlicher Verlust.

  Geduld, sagst du und senkst die Augenlider,
  verneint ist meine Frage an das Glück;
  so lebe wohl, ich seh' dich nimmer wieder,
20 so will's mein unerbittliches Geschick.

  Du hast geglaubt, weil andre warten müssen
  und warten können, kann und muß ich's auch;
  ich aber hab' zum Lieben und zum Küßen
  nur einen Frühling, wie der Rosenstrauch.

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