Hugo von Hofmannsthal Ein Traum von grosser Magie (1895)

  Viel königlicher als ein Perlenband
  Und kühn wie junges Meer im Morgenduft,
  So war ein großer Traum, wie ich ihn fand.

  Durch offene Glastüren ging die Luft.
5 Ich schlief im Pavillon zu ebner Erde
  Und durch vier offne Türen ging die Luft

  Und früher liefen schon geschirrte Pferde
  Hindurch und Hunde eine ganze Schar
  An meinem Bett vorbei. Doch die Gebärde

10 Des Magiers, des ersten, großen, war
  Auf einmal zwischen mir und einer Wand
  Sein stolzes Nicken, königliches Haar.

  Und hinter ihm nicht Mauer: es entstand
  Ein weiter Prunk von Abgrund, dunklem Meer
15 Und grünen Matten hinter seiner Hand.

  Er bückte sich und zog das Tiefe her.
  Er bückte sich, und seine Finger gingen
  Im Boden so, als ob es Wasser wär.

  Vom dünnen Quellenwasser aber fingen
20 Sich riesige Opale in den Händen
  Und fielen tönend wieder ab in Ringen.

  Dann warf er sich mit leichtem Schwung der Lenden,
  Wie nur aus Stolz, der nächsten Klippe zu,
  - An ihm sah ich die Macht der Schwere enden.

25 In seinen Augen aber war die Ruh
  Von schlafend- doch lebendgen Edelsteinen.
  Er setzte sich und sprach ein solches Du

  Zu Tagen, die uns ganz vergangen scheinen,
  Daß sie herkamen trauervoll und groß:
30 Das freute ihn zu lachen und zu weinen.

  Er fühlte traumhaft aller Menschen Los
  So wie er seine eignen Glieder fühlte.
  Ihm war nichts nah und fern, nichts klein und groß.

  Und wie tief unten sich die Erde kühlte
35 Das Dunkel aus den Tiefen aufwärts drang,
  Die Nacht das Laue aus den Wipfeln wühlte

  Genoß er allen Lebens großen Gang
  So sehr, daß er in großer Trunkenheit
  So wie ein Löwe über Klippen sprang.
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  Cherub und hoher Herr ist unser Geist,
  Wohnt nicht in uns, und in die obern Sterne
  Setzt er den Stuhl und läßt uns viel verwaist:

  Doch Er ist Feuer uns im tiefsten Kerne
45 - So ahnte mir, da ich den Traum da fand -
  Und redet mit den Feuern jener Ferne

  Und lebt in mir, wie ich in meiner Hand.

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