Johann Christian Günther An seine Schöne (1719)

  Breslau den 25 Dec[embris] 1719

   Mein Herz, was fangen wir noch mit einander an?
  Es scheint, wir werden bald dem Kummer weichen müssen;
   Vor alles, was wir sonst dem Nächsten Guts gethan,
5 Muß unsre Redlichkeit mit Noth und Elend büssen.
   Die Weisheit bringt kein Brod, die Arbeit keine Lust,
  Uns jagt des Himmels Zorn durch Ruthen, Land und Jahre,
   Ein Fehltritt, den du nur aus Uebereilung thust,
  Wird, ob er dich gleich reut, ein neuer Schritt zur Bahre,
10  Der Eltern Angst ist dein, der Schwester Gram trifft mich,
  Die Lästrer plagen uns mit unverschämten Zungen,
   Die Armuth macht mich auch den Thoren lächerlich,
  Und was nur Schaden bringt, das wird mir aufgedrungen.
   Du kannst das von Natur dir anvertraute Pfund
15 Aus Mangel hoher Gunst auf keinen Wucher legen,
   Kein Zufall macht den Werth von meinem Wissen kund,
  Und was dir gütig scheint, wird elend meinetwegen.
   Man würdigt meine Noth der Untersuchung nicht,
  Die Spötter nennen sie theils Strafe, theils Gedichte;
20  Und wer in Gegenwart mich noch so freundlich spricht,
  Der [macht?] mir hinterwerts ein [hämisches?] Gerichte.
   Nunmehr ist endlich auch der Jahre Lenz vorbei,
  Wem will ein solches Kreuz nicht die Geduld ermüden?
   Die Musen sind mir hold, und Lorchen bleibt noch treu,
25 Mein Herz, was willt du mehr? ich gebe mich zufrieden.

Neuen Kommentar hinzufügen

Die Technik der Kommentarfunktion "DISQUS" wird von einem externen Unternehmen, der Big Head Labs, Inc., San Francisco/USA., zur Verfügung gestellt, die Moderation der Kommentare liegt allein bei Lyrik123.de. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.