Johann Christian Günther Studenten-Lied – Fassung 2 (1718)

     Müdes Hertz,
     Laß den Schmertz
  Mit dem Athem fahren!
     Lebst du doch
5    Jetzo noch
  Jn den besten Jahren.
     Thoren dencken vor der Zeit
     An die Nacht der Eitelkeit;
     Gnug! wenn uns das Alter zwingt
10    Und den Kummer mit sich bringt.

     Alle Noth,
     Die uns droht,
  Kommt von eignem Wahne:
     Daß das Weh
15    Bald vergeh,
  Bohrt man nicht im Zahne.
     Unser mürrischer Verdruß
     Jst wie ein gesaltzner Fluß,
     Der, ie mehr man Thränen reitzt,
20    Wang' und Auge schärffer beitzt.

     Brüder! wir
     Sind ietzt hier,
  Und wer weiß wie lange?
     Jeder Schritt
25    Jst ein Tritt
  Zu dem letzten Gange.
     Nehmt die Wollust zum Voraus,
     Und besucht das Freuden-Hauß,
     Eh' ein ungewisser Tag
30    Uns der Baare liefern mag.

     Glaubt doch nur!
     Epicur
  Macht die klügsten Weisen:
     Die Vernunfft
35    Seiner Zunfft
  Sprengt die Folter-Eisen,
     Die der Aberglaube stählt,
     Wenn er schlechte Seelen quält,
     Und des Pöbels blöden Geist
40    Jn die Nacht des Jrrthums reißt.

     Diese Nacht
     Giebt uns Macht
  Franck und frey zu leben;
     Jeder Stern
45    Sieht es gern,
  Daß wir Feuer geben:
     Unsre Büchsen sind zwar Thon,
     Aber sie verjagen schon
     Aller Grillen starckes Heer,
50    Wenn es noch so hefftig wär.

     Nehmt doch wahr,
     Wie so gar
  Todte Kräuter lehren!
     Laßt uns noch
55    Laßt uns doch
  Jhre Warnung hören!
     so verfliegt der sachte Rauch,
     So verfliegt das Leben auch,
     Und die Asche mahlet hier
60    Unsers Leichnams Bildniß für.

     Nun wohlan!
     Nehmt doch an!
  Hier ist Engelländer,
     Dessen Dampff
65    Trotzt dem Kampff
  Aller Tobacks-Schänder:
     Kostet auch den Wurtzner-Safft!
     Gersten-Blut macht Brüderschafft.
     Treu und offenhertzig seyn
70    Flößt mit diesen Ströhmen ein.

     Dieser Schlung,
     Dieser Trunck
  Geht auf das Vergnügen
     Derer, die
75    Schooß und Knie
  Fein gemächlich fügen.
     Fort ihr Brüder! trinckt und schreyt,
     Weil ihr noch in Leipzig seyd,
     Und man in der schönen Stadt
80    Doch kein ewig Leben hat.

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