Johann Gabriel Seidl Nachtgesang im Walde (1837)

  Sei uns stets gegrüßt, o Nacht,
  aber doppelt hier im Wald,
  wo dein Aug' verstohlner lacht,
  wo dein Fußtritt leiser hallt!

5 Auf der Zweige Laubpokale
  gießest du dein Silber aus;
  hängst den Mond mit seinem Strahle
  uns als Lamp' ins Blätterhaus.

  Säuselnde Lüftchen sind deine Reden,
10 spinnende Strahlen sind deine Fäden,
  was nur dein Mund beschwichtigend traf,
  senket das Aug' und sinket in Schlaf!

  Und doch, es ist zum Schlafen zu schön,
  drum auf, und weckt mit Hörnergetön,
15 mit hellerer Klänge Wellenschlag,
  was früh betäubt im Schlummer lag!

  Es regt in den Lauben des Waldes sich schon,
  die Vöglein, sie glauben, die Nacht sei entflohn,
  die wandernden Rehe verlieren sich zag;
20 sie wähnen, es gehe schon bald an den Tag,
  die Wipfel des Waldes erbrausen mit Macht,
  vom Quell her erschallt es, als wär' er erwacht!

  Und rufen wir im Sange:
  Die Nacht ist im Walde daheim!,
25 so ruft auch Echo lange:
  Sie ist im Wald daheim!
  Drum sein uns doppelt hier im Wald gegrüßt,
  o holde, holde Nacht,
  wo Alles, was dich schön uns malt,
30 uns noch weit schöner lacht.

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