Johann Gaudenz von Salis-Seewis Die Einsiedelei (1792)
Es rieselt, klar und wehend,
Ein Quell im Eichenwald;
Da wähl' ich, einsam gehend,
Mir meinen Aufenthalt.
5 Mir dienet zur Kapelle
Ein Gröttchen, luftig, frisch;
Zu meiner Klausnerzelle
Verschlungenes Gebüsch.
Zwar düster ist und trüber
10 Die wahre Wüstenei;
Allein nur desto lieber
Der stillen Fantasei.
Da ruh' ich oft im dichten,
Beblümten Heidekraut;
15 Hoch wehn die schwanken Fichten,
Und stöhnen Seufzerlaut.
Wo von Wacholdersträuchen
Den Kieselsteig hinan
Verworrene Ranken schleichen,
20 Da brech' ich mir die Bahn;
Durch des Gehaues Stumpen,
Wo wilde Erdbeern stehn,
Klimm ich auf Felsenklumpen,
Das Land umher zu sehn.
25 Nichts unterbricht das Schweigen
Der Wildnis weit und breit,
Als wenn auf dürren Zweigen
Ein Grünspecht hackt und schreit,
Ein Rab' auf hoher Spitze
30 Bemooster Tannen krächzt,
Und in der Felsenritze
Ein Ringeltäubchen ächzt.
Wie sich das Herz erweitert
Im engen, dichten Wald!
35 Den öden Trübsinn heitert
Der traute Schatten bald.
Kein überleg'ner Späher
Erforscht hier meine Spur;
Ich bin hier frei und näher
40 Der Einfalt und Natur.
O blieb' ich von den Ketten
Des Weltgewirres frei!
Könnt' ich zu dir mich retten,
Du traute Siedelei!
45 Froh, dass ich dem Gebrause
Des Menschenschwarms entwich,
Baut' ich hier eine Klause
Für Liebchen und für mich.

Bibliographische Daten
Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)
Die Einsiedelei
Es rieselt, klar und wehend, …
1792
Klassik
- Der Herbstabend
- Das Mitleid
- Lied zu singen bei einer Wasserfahrt
- Lied eines Landmanns in der Fremde - Fassung 2
- Lied eines Landmanns in der Fremde
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