Johann Georg Jacobi Nach einem alten Liede (1756)
Sagt, wo sind die Veilchen hin,
Die so freudig glänzten,
Und der Blumen-Königinn
Ihren Weg bekränzten?
5 »Jüngling, ach! der Lenz entflieht:
»Diese Veilchen sind verblüht.«
»Sagt, wo sind die Rosen hin,
Die wir singend pflückten,
Als sich Hirt' und Schäferinn
10 Hut und Busen schmückten?
»Mädchen, ach! der Sommer flieht:
»Diese Rosen sind verblüht.«
»Führe denn zum Bächlein mich,
Das die Veilchen tränkte,
15 Das mit leisem Murmeln sich
In die Thäler senkte.
»Luft und Sonne glühten sehr:
»Jenes Bächlein ist nicht mehr.«
Bringe denn zur Laube mich,
20 Wo die Rosen standen,
Wo in treuer Liebe sich
Hirt’ und Mädchen fanden.
»Wind und Hagel stürmten sehr:
»Jene Laube grünt nicht mehr.«
25 Sagt, wo ist das Mädchen hin,
Das, weil ich’s erblickte,
Sich mit demuthvollem Sinn
Zu den Veilchen bückte?
»Jüngling! Alle Schönheit flieht:
30 »Auch das Mädchen ist verblüht.«
Sagt, wo ist der Sänger hin,
Der auf bunten Wiesen
Veilchen, Ros’ und Schäferinn,
Laub und Bach gepriesen?
35 »Mädchen, unser Leben flieht:
»Auch der Sänger ist verblüht.«

Bibliographische Daten
Johann Georg Jacobi (1740-1814)
Nach einem alten Liede
Sagt, wo sind die Veilchen hin, …
1756
Hochromantik
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