Johann Gottfried Herder Lied des Lebens (1803)

       Flüchtiger als Wind und Welle
  Flieht die Zeit; was hält sie auf?
  Sie genießen auf der Stelle,
  Sie ergreifen schnell im Lauf,
5 Das, Ihr Brüder, hält ihr Schweben,
  Hält die Flucht der Tage ein.
  Schneller Gang ist unser Leben;
  Laßt uns Rosen auf ihn streun!

       Rosen, denn die Tage sinken
10 In des Winters Nebelmeer;
  Rosen, denn sie blühn und blinken
  Links und rechts noch um uns her.
  Rosen stehn auf jedem Zweige
  Jeder schönen Jugendthat.
15 Wohl ihm, der bis auf die Neige
  Rein gelebt sein Leben hat.

       Tage, werdet uns zum Kranze,
  Der des Greises Schläf' umzieht
  Und um sie in frischem Glanze
20 Wie ein Traum der Jugend blüht.
  Auch die dunkeln Blumen kühlen
  Uns mit Ruhe, doppelt süß;
  Und die lauen Lüfte spielen
  Freundlich uns ins Paradies.

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