Johann Nepomuk Vogl Der Mönch zu Pisa (1838)

  Zu Pisa in dem Klostergarten geht
  ein finstrer Mönch, wo Blum' an Blume steht.
  Sein Antlitz ist gebleicht von langem Gram,
  man weiß nicht wer er war, woher er kam.
5 Stumm wandelt er zu jeder Abendzeit
  hin durch die Gänge mit verschloss'nem Leid.

  Jetzt blickt er nach der Tulpe Farbenlicht,
  nach der Karthäusernelke zart und schlicht,
  jetzt nach der Rose, nach der Lilie rein.
10 "Ach, wer, wie Blumen, könnte schuldlos sein!"

  Nun lauscht er zu der Zweige grünem Kranz,
  wo Vöglein flattern noch im goldnen Glanz;
  er lauscht, das Haupt gesenkt, dem süßen Klang.
  "Ach, wer noch Tröstung fände im Gesang!"

15 Dann aber senkt sein Blick, von Tränen feucht,
  zur Erde sich, von der er nimmer weicht.
  "O Erde, öffne du dich mir in Huld;
  denn du nur tilgest meine blut'ge Schuld!"

  Doch als der Lenz nun wieder kommt ins Land,
20 der Mönch nicht wieder bei den Blumen stand.
  Nicht lauschet er der Sänger in den Höh'n,
  doch war dafür ein neues Grab zu seh'n;
  ein schlichter Stein in grauer Klosterwand,
  auf dem: JOHANNES PARRICIDA stand.

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