Johann Wolfgang von Goethe An den Mond – Fassung 2 (1777)
Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;
5 Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge, mild
Über mein Geschick.
Jeden Nachklang fühlt mein Herz
10 Froh und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud' und Schmerz
In der Einsamkeit.
Fließe, fließe, lieber Fluß,
Nimmer werd' ich froh,
15 So verrauschte Scherz und Kuß,
Und die Treue so.
Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Qual
20 Nimmer es vergißt!
Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu!
25 Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst,
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.
Selig wer sich vor der Welt
30 Ohne Haß verschließt,
Einen Freund am Busen hält,
Und mit dem genießt,
Was von Menschen nicht gewußt,
Oder nicht bedacht,
35 Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

Bibliographische Daten
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
An den Mond – Fassung 2
Denk an! das Büblein ist einmal …
1777
Sturm und Drang
- Nähe des Geliebten
- Der Abschied
- Mignon III ("So laßt mich scheinen, bis ich werde ...")
- Mignon II ("Nur, wer die Sehnsucht kennt …")
- Mignon I ("Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen …")
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