Johann Wolfgang von Goethe Das Göttliche – Fassung 2 (1784)
Edel sei der Mensch,
Hülfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn
5 Von allen Wesen,
Die wir kennen.
Heil den unbekannten
Höhern Wesen,
Die wir ahnden!
10 Sein Beispiel lehr' uns
Jene glauben.
Denn unfühlend
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
15 Über Bös' und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen wie dem Besten
Der Mond und die Sterne.
Wind und Ströme,
20 Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg
Und ergreifen,
Vorüber eilend,
Einen um den andern.
25 Auch so das Glück
Tappt unter die Menge,
Faßt bald des Knaben
Lockige Unschuld,
Bald auch den kahlen
30 Schuldigen Scheitel.
Nach ewigen, ehrnen,
Großen Gesetzen,
Müssen wir alle
Unsreres Daseins
35 Kreise vollenden.
Nur allein der Mensch
Vermag das Unmögliche:
Er unterscheidet,
Wählet und richtet;
40 Er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.
Er allein darf
Den Guten lohnen,
Den Bösen strafen;
45 Heilen und retten
Alles Irrende, Schweifende
Nützlich verbinden.
Und wir verehren
Die Unsterblichen,
50 Als wären sie Menschen,
Täten im Großen,
Was der Beste im Kleinen
Tut oder möchte.
Der edle Mensch
55 Sei hülfreich und gut!
Unermüdet schaff' er
Das Nützliche, Rechte,
Sei uns ein Vorbild
Jener geahndeten Wesen!

Bibliographische Daten
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Das Göttliche – Fassung 2
Edel sei der Mensch, …
1784
Sturm und Drang
- Nähe des Geliebten
- Der Abschied
- Mignon III ("So laßt mich scheinen, bis ich werde ...")
- Mignon II ("Nur, wer die Sehnsucht kennt …")
- Mignon I ("Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen …")
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