Johann Wolfgang von Goethe Die Zerstörung Magdeburgs (1801)

  O Magdeburg, die Stadt,
  Die schöne Mädchen hat,
  Die schöne Frau'n und Mädchen hat,
  O Magdeburg, die Stadt.

5 Da alles steht im Flor,
  Der Tilly zieht davor,
  Durch Garten und durch Felder Flor,
  Der Tilly zieht davor.

  Der Tilly steht davor!
10 Wer rettet Stadt und Haus?
  Geh', Lieber, geh' zum Tor
  Hinaus und schlag' dich mit ihm draus!

  Es hat noch keine Not,
  So sehr er tobt und droht,
15 ich küsse deine Wänglein rot,
  Es hat noch keine Not.

  Die Sehnsucht mach mich bleich.
  Warum bin ich denn reich?
  Dein Vater ist vielleicht schon bleich,
20 Du, Kind, du machst mich weich.

  O Mutter, gib mir Brot!
  Ist denn der Vater tod?
  O Mutter, gib ein Stückchen Brot!
  O welche große Not.

25 Dein Vater lieb ist hin,
  Die Bürger alle fliehn.
  Schon fließt das Blut die Straße hin,
  Wo fliehn wir hin, wohin?

  Die Kirche stürzt in Graus,
30 Da droben brennt das Haus,
  Es qualmt das Dach, schon flammt's heraus -
  Nur auf die Straß' hinaus!

  Ach, keine Rettung mehr
  In Straßen rast das Heer,
35 Mit Flammen rast es hin und her,
  Ach keine Rettung mehr!

  Die Häuser stürzen ein.
  Wo ist das Mein und Dein?
  Das Bündelchen, es ist nicht dein,
40 Du flüchtig Mägdelein.

  Die Weiber bangen sehr,
  Die Mägdlein noch viel mehr.
  Was lebt, ist keine Jungfer mehr.
  So raset Tillys Heer.

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