Johann Wolfgang von Goethe Elegien I (“Römische Elegien”), I (1788–90)

  Saget, Steine, mir an, o! sprecht, ihr hohen Paläste!
    Straßen, redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?
  Ja, es ist Alles beseelt in deinen heiligen Mauern,
    Ewige Roma; nur mir schweiget noch Alles so still.
5 O! wer flüstert mir zu, an welchem Fenster erblick’ ich
    Einst das holde Geschöpf, das mich versengend erquickt?
  Ahn’ ich die Wege noch nicht, durch die ich immer und immer,
    Zu ihr und von ihr zu gehn, opfre die köstliche Zeit?
  Noch betracht’ ich Kirch’ und Palast, Ruinen und Säulen,
10   Wie ein bedächtiger Mann schicklich die Reise benutzt.
  Doch bald ist es vorbei; dann wird ein einziger Tempel,
    Amors Tempel nur sein, der den Geweihten empfängt.
  Eine Welt zwar bist du, o Rom; doch ohne die Liebe
    Wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom auch nicht Rom.

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