Joseph Victor von Scheffel Lind duftig hält die Maiennacht (1864)

  Lind duftig hält die Maiennacht
  Jetzt Berg und Tal umfangen,
  Da komm' ich durch die Büsche sacht
  Zum Herrenschloß gegangen.

5 Im Garten rauscht der Lindenbaum,
  Ich steig' in seine Äste,
  Und singe aus dem grünen Raum
  Hinauf zur hohen Veste.

  Jung Werner ist der glückseligste Mann
10 Im römischen Reich geworden!
  Doch wer das Glück ihm angetan,
  Das sagt er nicht mit Worten;
  Das sagt er nur mit Hei, Juchhei,
  Wie wunderschön ist doch der Mai!
15 Feinslieb, ich tu' dich grüssen.

  Im Wipfel hoch die Nachtigall
  Stimmt ein mit hellem Schlagen,
  Durch Berg und Tal wird weit der Schall,
  Der Schall des Lied's getragen.

20 Drob schauen rings die Vögel auf,
  Der Sang tät sie erwecken,
  Bald schmettert laut der Helle Hauf
  Aus Busch und Zweig und Hecken.

  Jung Werner ist der glückseligste Mann
25 Im römischen Reich geworden!
  Doch wer das Glück ihm angetan,
  Das sagt er nicht mit Worten;
  Das sagt er nur mit Hei, Juchhei,
  Wie wunderschön ist doch der Mai!
30 Feinslieb, ich tu' dich grüssen.

  Die Welle hört's, die Welle bringt's
  Strom abwärts an die Häuser,
  Aus nebelgrauer Ferne klingt's
  Zurück mir leis und leiser!

35 Und oben hoch im Morgenduft
  Seh ich zwei Engel fliegen,
  Wie Harfenton kommt durch die Luft
  Ihr Sang herabgestiegen.

  Jung Werner ist der glückseligste Mann
40 Im römischen Reich geworden!
  Doch wer das Glück ihm angetan,
  Das sagt er nicht mit Worten;
  Das sagt er nur mit Hei, Juchhei,
  Wie wunderschön ist doch der Mai!
45 Feinslieb, ich tu' dich grüssen.

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