Joseph von Eichendorff Abend (1822)

  Gestürzt sind die gold’nen Brücken
  Und unten und oben so still!
  Es will mir nichts mehr glücken,
  Ich weiß nicht mehr, was ich will.

5 Von üppig blühenden Schmerzen
  Rauscht eine Wildnis im Grund,
  Da spielt wie in wahnsinnigen Scherzen
  Das Herz an dem schwindlichten Schlund. –

  Die Felsen möchte ich packen
10 Vor Zorn und Wehe und Lust
  Und unter den brechenden Zacken
  Begraben die wilde Brust.

  Da kommt der Frühling gegangen,
  Wie ein Spielmann aus alter Zeit,
15 Und singt von uraltem Verlangen
  So treu durch die Einsamkeit.

  Und über mir Lerchenlieder
  Und unter mir Blumen bunt,
  So werf’ ich im Grase mich nieder
20 Und weine aus Herzensgrund.

  Da fühl’ ich ein tiefes Entzücken,
  Nun weiß ich wohl, was ich will,
  Es bauen sich andere Brücken
  Das Herz wird auf einmal still.

25 Der Abend streut rosige Flocken,
  Verhüllet die Erde nun ganz,
  Und durch des Schlummernden Locken
  Zieh’n Sterne den heiligen Kranz.

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