Karl August Graf von Platen Hallermund Wittekind (1820)

  Da kaum die Hügel matt erhellte
  Der morgenrote, lichte Schein,
  Wer schleicht sich in die Zelte
  Des Frankenlagers ein?
5 Mit Schritten leise, leise,
  Wie Späherschritte sind,
  Verfolgt er die geheime Reise?
  Das ist der Sachse Wittekind.

  Schon focht er wider mut'ge Franken
10 Durch lange Jahre blut'gen Streit,
  Und grollte sonder Wanken
  Dem Herrn der Christenheit:
  Nun schlich er kühn und schnelle
  Zum Feinde sich bei Nacht,
15 Vertauschend seine Heldenfelle
  Mit einer feigen Bettlertracht.

  Da fühlt er plötzlich sich umrungen
  Von Melodieen sanft und weich,
  Gesungen wird, geklungen
20 Wird um ihn her zugleich;
  Verwundert eilt er weiter,
  Durchzieht das rüst'ge Heer,
  Da sieht er Beter statt der Streiter,
  Das Kreuz als ihre ganze Wehr.

25 Weihnachten war herangekommen,
  Der heil'ge Morgen war entglüht,
  Und innig schwoll des frommen,
  Des großen Karls Gemüt :
  Zum hohen Tempelbaue
30 Ließ wölben er sein Zelt,
  Daß er im Land der Heiden schaue

  Die Glorie der Christenwelt.

  Hoch über'm Altar prangt und raget
  Ein blauer, golddurchwirkter Thron,
35 Drauf sitzt die reine Maget,
  Und ihr im Schooß der Sohn.
  Hell schimmert rings das schöne,
  Das heilige Gerät,
  Und alle Farben, alle Töne
40 Begrüßen sich mit Majestät.

  Schon kniete brünstig, stillandächtig
  Der Kaiser vor dem Hochaltar,
  Mit Grafenkronen prächtig
  Um ihn die Heldenschaar:
45 Schon fällt vom Spiel der Lichter
  Ein rosenfarbner Schein
  Auf ihre klaren Angesichter,
  Da tritt der Heide keck hinein.

  Er staunt, als er die stolzen Päre
50 Mit Karl auf ihren Knien erkennt,
  Damit sie himmlisch nähre
  Das ew'ge Sacrament;
  Doch staunt er deß nicht minder.
  Da sich kein Priester fand,
55 Und sieh! es kamen Engelkinder
  Im blütenweißen Lichtgewand.

  Sie boten zum Versöhnungsmahle
  Die Hostie dem Kaiser dar,
  Die auf smaragdner Schaale
60 Sie trugen wunderbar:
  Und Jubel füllt die Seelen,
  Empfahend Brod und Wein,
  Es dringt ein Lied aus tausend Kehlen
  Vom göttlichen Zugegensein.

65 Der Sachse steht betäubt, er faltet
  Die Hände fromm, sein Aug' ist naß,
  Das hohe Wunder spaltet
  Den heidnisch argen Haß.

  Hin eilt er, wo der Haufe
70 Mit frohem Blick ihn mißt:
  Gieb, Karl, dem Wittekind die Taufe,
  Daß er umarme dich als Christ!

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