Karoline Marie Louise Brachmann Kolumbus (1808)

  Ballade

  »Was willst du Fernando, so trüb und bleich?
  Du bringst mir traurige Mähr!«
  »Ach, edler Feldherr, bereitet Euch!
5 Nicht länger bezähm' ich das Heer!
  Wenn jetzt nicht die Küste sich zeigen will,
  So seid Ihr ein Opfer der Wuth;
  Sie fordern laut wie Sturmgebrüll,
  Des Feldherrn heil'ges Blut!«

10      Und eh' noch dem Ritter das Wort entflohn
  Da drängte die Menge sich nach,
  Da stürmten die Krieger, die Wüthenden schon
  Gleich Wogen ins stille Gemach.
  Verzweiflung im wilden, verlöschenden Blick,
15 Auf bleichen Gesichtern der Tod. –
  »Verräther! wo ist nun dein gleisendes Glück?
  Jetzt rett' uns vom Gipfel der Noth!

       »Du giebst uns nicht Speise, so gieb uns dann Blut!«
  Blut! rief das entzügelte Heer
20 Sanft stellte der Große den Felsenmuth
  Entgegen dem stürmenden Meer.
  »Befriedigt mein Blut euch, so nehmt es und lebt!
  Doch bis noch ein einzigesmal
  Die Sonne dem feurigen Osten entschwebt
25 Vergönnt mir den segnenden Strahl.

       Beleuchtet der Morgen kein rettend Gestad,
  So biet' ich dem Tode mich gern,
  Bis dahin verfolgt noch den muthigen Pfad,
  Und trauet der Hülfe des Herrn!«
30 Die Würde des Helden, sein ruhiger Blick,
  Besiegte noch einmal die Wuth.
  Sie wichen vom Haupte des Führers zurück
  Und schonten sein heiliges Blut.

       »Wohlan dann! es sey noch! Doch hebt sich der Strahl
35 Und zeigt uns kein rettendes Land,
  So siehst du die Sonne zum letztenmal!
  So zittre der strafenden Hand!«
  Geschlossen war also der eiserne Bund
  Die Schrecklichen kehrten zurück. – –
40 Es thue der leuchtende Morgen nun kund
  Des duldenden Helden Geschick!

       Die Sonne sank, der Tag entwich;
  Des Helden Brust ward schwer;
  Der Kiel durchrauschte schauerlich
45 Das weite wüste Meer.
  Die Sterne zogen still herauf,
  Doch ach, kein Hoffnungsstern!
  Und von des Schiffes öden Lauf
  Blieb Land und Rettung fern.

50      Vom Trost des süßen Schlafs verbannt,
  Die Brust voll Gram, durchwacht
  Nach Westen blickend unverwandt,
  Der Held die düstre Nacht.
  »Nach Westen, o nach Westen hin
55 Beflügle dich mein Kiel!
  Dich grüßt noch sterbend Herz und Sinn,
  Du meiner Sehnsucht Ziel!

       Doch mild, o Gott, von Himmelshöhn,
  Blick auf mein Volk herab!
60 Laß nicht sie trostlos untergehn
  Im wüsten Fluthengrab!«
  Es sprach's der Held von Mitleid weich; – –
  Da horch! welch eiliger Tritt?
  Noch einmal Fernando, so trüb' und bleich?
65 Was bringt dein bebender Schritt?

       »Ach edler Feldherr, es ist geschehn!
  Jetzt hebt sich der östliche Strahl.«
  »Sey ruhig, mein Lieber, von himmlischen Höhn
  Entwand sich der leuchtende Strahl.
70 Es walltet die Allmacht von Pol zu Pol;
  Mir lenkt sie zum Tode die Bahn.«
  »Leb wohl dann, mein Feldherr! leb ewig wohl!
  Ich höre die Schrecklichen nahn!«

       Und eh' noch dem Ritter das Wort entflohn,
75 Da drängte die Menge sich nach;
  Da stürmten die Krieger, die wüthenden schon
  Gleich Wogen ins stille Gemach.
  »Ich weiß, was ihr fordert, und bin bereit;
  Ja werft mich ins schäumende Meer;
80 Doch wisset, das rettende Ziel ist nicht weit;
  Gott schütze dich irrendes Heer!«

       Dumpf klirrten die Schwerter ein wüstes Geschrei
  Erfüllte mit Grausen die Luft;
  Der Edle bereitet sich still, und frey
85 Zum Weg' in die fluthende Gruft.
  Zerrissen war jedes geheiligte Band;
  Schon sah sich zum schwindelnden Rand
  Der treffliche Führer gerissen; – – Und: Land!
  Land! rief es, und donnert' es, Land!!

90      Ein glänzender Streifen, mit Purpur gemahlt,
  Erschien dem beflügelten Blick;
  Vom Golde der steigenden Sonne bestrahlt
  Erhob sich das winkende Glück,
  Was kaum noch geahndet der zagende Sinn,
95 Was muthvoll der Große gedacht; – –
  Sie stürzten zu Füßen des Herrlichen hin, –
  Und priesen die göttliche Macht.

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