Ludwig Christoph Heinrich Hölty Aufmunterung zur Freude (1777)

  Wer wollte sich mit Grillen plagen,
       So lang uns Lenz und Jugend blühn;
  Wer wollt', in seinen Blüthentagen,
       An finstrer Schwermuth Altar knien!

5 Die Freude winkt auf allen Wegen,
       Die durch dieß Pilgerleben gehn;
  Sie bringt uns selbst den Kranz entgegen,
       Wenn wir am Scheidewege stehn.

  Noch rinnt und rauscht die Wiesenquelle,
10      Noch ist die Laube kühl und grün;
  Noch scheint der liebe Mond so helle,
       Wie er durch Adams Bäume schien.

  Noch macht der Saft der Purpurtraube
       Des Menschen krankes Herz gesund;
15 Noch schmecket, in der Abendlaube,
       Der Kuß auf einen rothen Mund.

  Noch tönt der Busch voll Nachtigallen
       Dem Jüngling süße Fühlung zu;
  Noch strömt, wenn ihre Lieder schallen,
20      Selbst in zerrißne Seelen Ruh.

  O wunderschön ist Gottes Erde,
       Und werth darauf vergnügt zu seyn;
  Drum will ich, bis ich Asche werde,
       Mich dieser schönen Erde freun!

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