Ludwig Giesebrecht Spielt, Mägdlein, unter euer Weide (1868)
Spielt, Mägdlein, unter euer Weide,
Sucht Schäfchen, die der Wind verstreut!
Ihr seid mein Trost in meinem Leide,
Mein Schmerz, der täglich sich erneut.
5 Mit Tränenflut, mit glüh'nder Bitte
Hab' ich die Töchter mir erkauft!
Ihr lebt in der Hebräer Sitte,
Mein Erstgeborner ist getauft.
Wer kommt? Was hast du mir zu sagen?
10 Dein Blick verkündift bange Not.
"Bist du gefaßt, kannst du es tragen?"
Sprich, Amme, sprich! "Dein Sohn ist tot."
Gott Abrahams, du hast gegeben,
Was du genommen hast, ist dein.
15 Laß seinen Tod, sein kurzes Leben
Die Tilgung seiner Taufe sein.
"Horch, das Geläut der Schloßkapelle!"
Sie läuten um der Jüdin Sohn.
"Vom Turm zu Turme, Well auf Welle,
20 Ganz Krakau wogt in Glockenton."
Was ist? Was hab' ich zu erwarten?
Du, Marschall, selbst? Und dein Gebot?
"Verlaß nun, Jüdin, diesen Garten,
Denn König Kasimir ist tot."
25 Ist tot. Und deine Feuerwolke,
Gott Israels, beginnt den Lauf.
Kommt, Kinder, kommt zu unsern Volke,
Die Judengasse nimmt uns auf.

Bibliographische Daten
Ludwig Giesebrecht (1792-1873)
Spielt, Mägdlein, unter euer Weide
Spielt, Mägdlein, unter euer Weide, …
1868
Spätromantik
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