Ludwig Tieck Glosse (1803)

  Liebe denkt in süßen Tönen,
  Denn Gedanken stehn zu fern,
  Nur in Tönen mag sie gern
  Alles, was sie will, verschönen.

5 Wenn im tiefen Schmerz verloren
  Alle Geister in mir klagen,
  Und gerührt die Freunde fragen:
  »Welch ein Leid ist dir geboren?«
  Kann ich keine Antwort sagen,
10 Ob sich Freuden wollen finden,
  Leiden in mein Herz gewöhnen,
  Geister, die sich liebend binden,
  Kann kein Wort niemals verkünden,
  Liebe denkt in süßen Tönen.

15 Warum hat Gesangessüße
  Immer sich von mir geschieden?
  Zornig hat sie mich vermieden,
  Wie ich auch die Holde grüße.
  So geschieht es, daß ich büße,
20 Schweigen ist mir vorgeschrieben,
  Und ich sagte doch so gern
  Was dem Herzen sei sein Lieben,
  Aber stumm bin ich geblieben,
  Denn Gedanken stehn zu fern.

25 Ach, wo kann ich doch ein Zeichen,
  Meiner Liebe ew'ges Leben
  Mir nur selber kund zu geben,
  Wie ein Lebenswort erreichen?
  Wenn dann Alles will entweichen,
30 Muß ich oft in Trauer wähnen,
  Liebe sei dem Herzen fern,
  Dann weckt sie das tiefste Sehnen,
  Sprechen mag sie nur in Tränen,
  Nur in Tönen mag sie gern.

35 Will die Liebe in mir weinen,
  Bringt sie Jammer, bringt sie Wonne,
  Will sie Nacht sein, oder Sonne,
  Sollen Glückessterne scheinen?
  Tausend Wunder sich vereinen:
40 Ihr Gedanken, schweiget stille,
  Denn die Liebe will mich krönen,
  Und was sich an mir erfülle,
  Weiß ich das, es wird ihr Wille
  Alles, was sie will, verschönen.

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