Matthias Claudius Ein Lied (1784)

  hinterm Ofen zu singen

  Der Winter ist ein rechter Mann,
       Kernfest und auf die Dauer;
  Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
5      Und scheut nicht Süß noch Sauer.

  War je ein Mann gesund, ist er's;
       Er krankt und kränkelt nimmer,
  Weiß nichts von Nachtschweiß noch Vapeurs,
       Und schläft im kalten Zimmer.

10 Er zieht sein Hemd im Freien an,
       Und läßt's vorher nicht wärmen;
  Und spottet über Fluß im Zahn
       Und Kolik in Gedärmen.

  Aus Blumen und aus Vogelsang
15      Weiß er sich nichts zu machen,
  Haßt warmen Drang und warmen Klang
  Und alle warme Sachen.

  Doch wenn die Füchse bellen sehr,
       Wenn's Holz im Ofen knittert,
20 Und um den Ofen Knecht und Herr
       Die Hände reibt und zittert;

  Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
       Und Teich' und Seen krachen;
  Das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
25      Denn will er sich totlachen. –

  Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
       Beim Nordpol an dem Strande;
  Doch hat er auch ein Sommerhaus
       Im lieben Schweizerlande.

30 Da ist er denn bald dort bald hier,
       Gut Regiment zu führen.
  Und wenn er durchzieht, stehen wir
       Und sehn ihn an und frieren.

Neuen Kommentar hinzufügen

Die Technik der Kommentarfunktion "DISQUS" wird von einem externen Unternehmen, der Big Head Labs, Inc., San Francisco/USA., zur Verfügung gestellt, die Moderation der Kommentare liegt allein bei Lyrik123.de. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.