Matthias Claudius Ein Wiegenlied bei Mondschein zu singen (1771)

  So schlafe nun du Kleine!
      Was weinest du?
  Sanft ist im Mondenscheine,
      Und süß die Ruh.

5 Auch kommt der Schlaf geschwinder,
      Und sonder Müh:
  Der Mond freut sich der Kinder,
      Und liebet sie.

  Er liebt zwar auch die Knaben,
10     Doch Mädchen mehr,
  Gießt freundlich schöne Gaben
      Von oben her

  Auf sie aus, wenn sie saugen,
      Recht wunderbar;
15 Schenkt ihnen blaue Augen
      Und blondes Haar.

  Alt ist er wie ein Rabe,
      Sieht manches Land;
  Mein Vater hat als Knabe
20     Ihn schon gekannt.

  Und bald nach ihren Wochen
      Hat Mutter mal
  Mit ihm von mir gesprochen:
      Sie saß im Tal

25 In einer Abendstunde,
      Den Busen bloß,
  Ich lag mit offnem Munde
      In ihrem Schoß.

  Sie sah mich an, für Freude
30     Ein Tränchen lief,
  Der Mond beschien uns beide,
      Ich lag und schlief;

  Da sprach sie! »Mond, oh! scheine,
      Ich hab sie lieb,
35 Schein Glück für meine Kleine!«
      Ihr Auge blieb

  Noch lang am Monde kleben,
      Und flehte mehr.
  Der Mond fing an zu beben,
40     Als hörte er.

  Und denkt nun immer wieder
      An diesen Blick,
  Und scheint von hoch hernieder
      Mir lauter Glück.

45 Er schien mir unterm Kranze
      Ins Brautgesicht,
  Und bei dem Ehrentanze;
      Du warst noch nicht.

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